AM97 – Brief an Walter Gropius
Toblach, Freitag, 11. August 1911 [= Poststempel]


[Postskriptum:] Das ist kein Brief – sondern nur ein kurzer Schrei.

Mein

Ich habe bis heute nicht geschrieben[.] — Eine Scheu – eine sonderbare Scheu hielt mich zurück.

Auch heute kann ich noch nicht frei zu Dir reden[.] —

Deine Briefe sind ein Gotteswerk. –

Die 3 Tage hier waren so überirdisch schön, dass ich erst wieder in Beziehung zur Gegen-

wart und zur Wirklichkeit treten muss.

Ich musizire viel – viel neue Menschen sind um mich – aber sie können mich nicht stören. —

Bitte sprich nicht mit Deiner ! – Noch nicht! –

Erst – bis ich einmal Deinen Ring angenommen haben \werde –/ früher — nicht[.]


Gestern Dein süßer Brief – und die faszinirende Kette[.] —

Sie ist wunderbar schön! —

Alles[,] was von Dir kommt – ist mir aus der Seele gethan[.] —

Ich wünsche mir nur Eines. Ich will mehr von Deinen eigenen Sachen – sehen. – Denn die 2 Kartons sind mir viel zu wenig – sie geben wenig Bild.

Lasse alles photog.[raphieren] und schick’ es sofort.


isst jeden Abend einen Löffel Hygiama für Dich. — Sie spricht immer von Dir. —

Die Tage sind weiter endlos schön. Wohin werde ich weiter gerathen? –

Nimm Du mich nur \fest/ bei der Hand und führe mich weiter – und lass mich nicht aus. —

Ich bin ungeheuer heiter[,] sei es auch Du – Meiner — und schreibe immer u. alles. —

Dein —

wie Du mich nennen willst[.]


Apparat

Überlieferung

, , , .

Quellenbeschreibung

1 DBl. (4 b. S.) – Briefpapier.

Beilagen

Umschlag, , Berlin-Wilmersdorf | Nicolsburgerplatz 4. G. IV | Herrn Walter Gropius; PSt. (lt. , S. 532, Nr. 173): TOBLACH 2 | 11.VIII.11 – 1 | * d *; von WG mit einer 1a versehen (Zur Nummerierung von Alma Mahlers Briefumschlägen).

Druck

Erstveröffentlichung.

Korrespondenzstellen

Beantwortet durch WG182 vom 12. oder 13. August 1911 (Meiner Mutter sagen, warte nur weil Du mich darum batest): Bitte sprich nicht mit Deiner Mutter! – Noch nicht!

Datierung

Folgt Poststempel.

Übertragung/Mitarbeit


(Elisabeth Behnle)
(Pia Schumacher)


A

Briefe – aus den Entwürfen WG179 und WG180, beide vom kurz nach oder am 7. oder 8. August 1911.

B

Die 3 Tage hier – in Toblach Anfang August 1911 zusammen mit , s. AM96 vom 31. Juli 1911: Richte Dich für den 4–5. [August].

C

musizire – auch mit Tochter , so aus der Erinnerung: „nach Tod […]. […] mein kleines sechsjähriges Kind war mir in jedem Sinne, vor allem aber in der Musik, Freude und Mitfühlende. […] Wir musizierten einfach den ganzen Tag“ (, S. 50).

D

Deinen Ring – im Sinne einer Verlobung.

E

die faszinirende Kette – kein Hinweis in Briefentwürfen.

F

Ursprünglich: p.

G

2 Kartons – auf Kartons aufgezogene Fotos.

H

Hygiama – Theinhardts Hygiama, diätisches Nähr- und Kräftigungspräparat aus Weizenmehl, kondensierter Milch und Kakao „für Gesunde und Kranke jeden Alters […] in Pulverform“ (, S. 87), vgl. AM92 vom 27. Juli 1911: Krampfhusten.

I

Dreifach unterstrichen.